Es schlägt auf den Magen zu lesen, wie Menschen hingerichtet wurden, nur, weil sie keinen sinnlosen Krieg für falsche Ideale führen wollten. Und doch hat man das Gefühl, man muss weiterlesen. Man kann es einfach nicht vergessen und so tun, als hätte man nie davon erfahren.
In einem weiten Bogen kommt Ralf Buchterkirchen auf etwa 177 Seiten mit vielen Bildern und Fotokopien von Textquellen vom Zustand der Militärjustiz über die Einzelschicksale einiger als Deserteure verurteilter Soldaten aus der Region Hannover hin zum Umgang mit den Opfern der Militärjustiz nach Ende des Zweiten Weltkriegs und zeigt dabei eine Mischung von gut und interessant geschriebenen, wohlrecherchierten Sachtexten und Beschreibungen von Einzelschicksalen, die einen berühren und erzürnen.
Das Buch in einem Stück zu lesen, erscheint unmöglich, weil man gerade bei den Abschiedsbriefen der Opfer oder bei Beschreibungen, wegen welch geringer ‚Vergehen‘ sie hingerichtet werden, einfach an der Menschheit verzweifelt und erst einmal nicht mehr weiter kann, doch beginnt das Moralempfinden – ebenso wie das Denken – dann erst mit der eigentlichen Arbeit, mit sich selbst auszumachen, dass das zu unserer Vergangenheit zählt. Zu einem Schandfleck eben dieser. Wenn man dann liest, dass einer der Deserteure tatsächlich überlebt hat, kommt das einer temporären Erlösung gleich. Wenigstens eine gewonnene Schlacht für die Gerechtigkeit – doch längst kein Sieg.
Und dann muss man auch noch erfahren, dass diejenigen, die sich diesem Krieg entgegen gesetzt haben, teilweise einfach nur mit dem Wunsch zu überleben, was ein Grundbedürfnis unserer Psyche ist, teilweise erst 2009 vollständig rehabilitiert wurden. Vorher galten sie als ‚Feiglinge‘, ‚Verräter‘. Ebenso erfährt man in einer Art Nachwort, dass auch heute noch Desertion geahndet wird. In den USA wird immer noch mit Exekution gedroht, obwohl es sich auch noch um freiwillige Soldaten handelt. Dadurch zeigt dieses Buch offen die Schrecken des Krieges und eines der schlimmsten Gesichter der Menschheit auf, wühlt den Leser auf.
Aber so negativ, wie das jetzt klingen mag, ist es nicht zu verstehen. Im Gegenteil: Man braucht erst so einen Anstoß, um wirklich darüber nachzudenken und um sich selbst die Frage zu stellen: Wie stehe ich dazu? Um zu verarbeiten und zu begreifen, braucht man erst einmal Informationen und Bezüge, die man in diesem Buch hervorragend aufbereitet finden kann.
Birgit Schwäbe, Praktikantin im Friedenszentrum – erschienen im Braunschweiger Spiegel